Zusammen singen, Stimmen ölen, Atem verbessern, gemeinsame Pausen verbringen, neue Stücke lernen – all das bringt ein Chor- und Stimmbildungswochenende – etwa im Kloster Roggenburg.
Chorwochenenden sind ein zeitlicher Luxus. So viel Gelegenheit für Übungen zur Entspannung, Körperwahrnehmung, Sängerhaltung, Stimmbildung, Harmonienhören und noch viel mehr gibt es im Probenalltag sonst nicht. Abgesehen davon sind die gemeinsamen Wochenenden eine tolle Gelegenheit, noch besser zusammenzuwachsen – auch das eine wichtige Basis für einen harmonischen Chorklang.
Wie wichtig die gemeinsame Zeit ist, betont auch Chorleiterin Stefanie Fersch: „Ganz nebenbei pflegen wir wieder unsere Gemeinschaft, wachsen noch ein Stück miteinander, um dann umso ’stimmiger‘ und intensiver an uns arbeiten zu können.“
Ingesamt zwölf Stunden in sechs Probenzeiten verbrachten wir als Chor in einem großen und hellen Probenraum. Dazu kamen noch Zeiten für Atem- und Körperarbeit und Einzelproben. Ein Marathon, der es in sich hatte und der alle ein gutes Stück weitergebracht hat. Und der richtig viel Spaß gemacht hat.
Besser hören, besser singen
Was wir im Einzelnen gemacht haben? Da das Hören eine der wichtigsten Säulen für Musizieren ist, haben wir in verschiedenen Übungen bewusster hingehört. Wieviele verschiedene Klänge können wir einem Blatt Papier entlocken, etwa durch Knittern, Reißen, Streichen etc.? Wie klingt Stille? Außerdem haben wir Harmonien aufgebaut und aufeinander gehört.
Übugen zur Körperwahrnehmung, zur Koordination und Konzentration haben unsere Sinne geschärft und den Zusammenklang trainiert. So haben wir es mit unseren 16 Chorsingenden bis zu einem achtstimmigen Kanon geschafft. Und der klang richtig gut
Natürlich haben wir viele neue Stücke in Angriff genommen, die Stefanie für uns mit im Gepäck hatte. Da können sich alle künftigen Zuhörer schon mal freuen – es sind nämlich viele bekannte Stücke darunter, die bei unseren nächsten Auftritten bestimmt auf wohlgesonnene Ohren stoßen.
Chorwochenende – einer Klostermaus erklärt
Ganze 40 Stunden zusammen im Kloster verbringen? Il Canzoniere hat’s getan (wieder einmal!). Manche Dinge könnten aus fremder Sicht seltsam angemutet haben – etwa wenn uns eine kleine Klostermaus argwöhnisch beoachtet hätte. Aber wir klären sie gerne auf!
Stellen wir uns einfach einmal einen winzigen Klosterbewohner vor, der bei unserem Chorwochenende Mäuschen gespielt hat. Was hätte dieses Tierchen zu sehen bekommen? Auf dem Boden liegende Erwachsene und Jugendliche, ein Klavier auf der Wiese, Klatschspielchen im Apfelgarten – ging das noch mit rechten Dingen zu? Wir antworten einfach mal auf potentielle Fragen…
So, so, das war also ein Chorwochenende! Und warum hatten alle Decken, Bälle und Luftballons im Gepäck? Und irgendetwas von „Blinde Kuh“ habe ich auch vernommen. Das klingt für mich eher nach Kindergeburtstag!
Liebes Klostermäuschen, du hast dich gewundert über uns? Wir erklären dir das gerne! Auf den Decken haben wir uns zum Beispiel ganz flach auf den Boden gelegt und gespürt, an welchen Stellen wir Kontakt zum Boden haben. Mit den Bällen haben wir unsere Füße aufgeweckt und massiert. Gesang fängt bei der richtigen Körperhaltung an. Mit solchen Übungen haben wir das Bewusstsein für den Körper geweckt. Außerdem haben wir noch unserer Diagonale nachgespürt.
Stimmbildung ganz intensiv
Ach ja, da solltet ihr einen Schwamm auf der Schulter ausdrücken und euch beim Auspusten um die Achse drehen. Das sah komisch aus!
Das mag sein. Auf jeden Fall hat es den Rumpf für den Gesang bereit gemacht. Den Schwamm haben wir uns übrigens nur vorgestellt. Solche gedanklichen Bilder sind eine gute Hilfe!
Und wie war das mit der „Blinden Kuh“? Das hat ja nun gar nichts mit Singen zu tun!
Aber ja! Die „blinde“ Person sollte nur nach Gehör den Lauten des Partners durch den Raum folgen. Das hat ganz viel mit Aufeinanderhören, Vertrauen, Verlässlichkeit und Aufmerksamkeit zu tun. Und das ist für den Chorgesang wirklich wichtig!
Na gut, das gebe ich zu. Aber wenigstens diese Klatscherei im Apfelgarten war dann doch wohl nur eine launige Spielerei…
Auch dabei kam es auf Kontakt an und darauf, auf den anderen zu reagieren. Unser Bass Georg dichtet ja seit vielen Jahren immer ein humorvolles Gedicht über die aktuellen Geschehnisse vom Chorwochenende. Unten haben wir ein paar Zeilen daraus aufgeschrieben.
Proben für den Auftritt
Hmmm, ach so… Was ich auch noch wissen wollte: Was für eine Sprache habt Ihr denn da gesungen? Ich habe nur „supercalifragilisticexpialidocious“ verstanden.
Dann hast du gehört, wie wir eines unsere Stücke für das Disney-Medley geprobt haben. Einen Tag nach dem Wochenende hatten wir nämlich einen Auftritt im Lesepark Königsbrunn.
Ah! Und hat euch der Probenraum am Ende nicht mehr gefallen? Ihr wart aber auch wirklich viel darin! Habt Ihr darum das Klavier in den Garten getragen?
Wir haben wirklich sehr viel geprobt. 13 Stunden reine Probenzeit hatten wir, puuuh! Das war anstrengend, hat aber auch sehr viel Spaß gemacht und uns ein richtig großes Stück vorangebracht. Das Klavier haben wir für einen Open-Air-Test nach draußen getragen. Schließlich ist der Klang im Freien ganz anders – es ist viel schwieriger, die Mitsänger, das Klavier und sich selber zu hören. Dazu kommen Widrigkeiten wie kleine Windstöße, die die Noten wegpusten. Wir haben dadurch einige Details entdeckt, die wir für den Outdoor-Einsatz noch verbessern können. Außerdem war es einfach toll, hinter den Klostermauern im Gras unter dem Schatten der alten Bäume Musik zu machen!
Singen in Gemeinschaft
Ich verstehe… Habe ich eigentlich richtig gesehen, dass auch ein paar neue Gesichter dabei waren? Ihr wart doch letztes Jahr schon mal hier – ein paar kannte ich noch nicht.
Ja, wir haben Verstärkung bekommen. Einige der Youngsters, also Sänger aus dem Jugendchor, sind zu uns gewechselt. Und auch in den anderen Stimmen tut sich immer wieder was. Wir freuen uns, wenn neue Sänger kommen.
Das kann ich verstehen. Ihr habt auch einen fröhlichen Eindruck gemacht! Darum war ich ja auch so skeptisch, ob das was wird mit dem effektiven Arbeiten – vor allem wegen der Bälle und dieser Klatsch- und Spielgeschichten!
Da können wir dich beruhigen: Wir waren effektiv und lustig zugleich. Denn es geht bei einem Chorwochenende ja nicht nur um Stimmbildung, Bewusstsein, Hören, Tönen, Klang, Rhythms und Techniken – obwohl das alles ungemein wichtig ist. Nein, es geht auch um die Pflege der Chorgemeinschaft. Das ist die Basis für erfolgreiches Arbeiten an der Stimme. Die Freude am gemeinsamen Suchen und Wachsen sind kann dann das eigene Leben wirklich bereichern.
Ihr habt mich überzeugt. Und ich muss ja auch gestehen, dass sich eure Musik gut angehört hat in meinen Mäuseohren. Aber warum geht Ihr dafür ins Kloster?
Das freut uns, dass dir unser Gesang gefallen hat! Wir kommen hierher, damit wir viel Zeit haben in einer schönen Atmosphäre. Es ist unheimlich schön, nach einer Probe durch den blühenden Klostergarten zu schlendern oder sich für ein bisschen Stille in die Rokokokirche zu setzen.
Kommt Ihr denn nächstes Jahr wieder?
Ach, liebe Klostermaus, das werden wir noch gemeinsam beschließen. Ein gemeinsames Chorwochenende wird es schon geben – wo auch immer. Aber wir sehen uns bestimmt auch einmal wieder!
Und die Klostermaus verschwindet in den weiten Gängen des Klosters. Protokoll des Dialogs: Petra Harenbrock