Blick in den barocken Rundsaal des Unteren Schlösschens

Blick in den barocken Rundsaal des Unteren Schlösschens

Wie musiziert es sich in einem Denkmal? Die Mitglieder von Piano & Voice sind sich einig: Wunderbar! Wir sind dankbar, in diesem tollen Saal proben und wirken zu dürfen.

„Der Klang im Raum ist hervorragend“, schwärmt etwa Christine aus dem Erwachsenenchor „Il Canzoniere“, der hier wöchentlich probt. „Ich schätze das historische Ambiente sehr“, bekräftigt ihre Mitsängerin Petra, während Laura den Rundsaal als „inspirierenden Ort“ sieht. Bereits beim Betreten des Schlösschens umfängt einen die historische Atmosphäre. Die doppelt geschwungene Holztreppe erzählt mit ihren leicht knarrenden Stufen von Adeligen und reichen Kaufleuten, die vor rund vierhundert Jahren die Stiege vermutlich sehr anmutig emporgeschritten sind.

Auch die Kinder aus den Kinderchorgruppen und dem Instrumentalunterricht zeigen sich immer wieder beeindruckt. „Manche glauben, ich wohne hier“, lacht Stefanie Fersch und erzählt, dass einer ihrer kleinsten Schüler sie gefragt hat: „Und wo schläfst du?“

„In diesem Ambiente singe ich sogar gerne barocke Stücke“, meint Sängerin Eva, die sonst eher für die rockig-poppigen Lieder aus dem Repertoire ihres Chores schwärmt. „Das passt einfach super hierher!“. Wegen der großen Bandbreite des Musikinstituts haben die Götter vom Deckenfresko mittlerweile aber auch schon viel Pop, Blues, Klassik und Moderne zu hören bekommen.

Rettung aus großer Denkmalnot

Dabei hatte das letzte Stündlein des Schlösschens fast schon geschlagen. Es war Mitte des 20. Jahrhunderts in einem solch desolaten Zustand, dass viele Zeitgenossen den Abriss forderten. Doch es kam bekanntlich anders. Eine umfangreiche Renovierung brachte nicht nur eine Ahnung der alten Pracht zurück, sondern auch kulturelles Leben. Heute bevölkern wieder Musiker, bildende Künstler und weitere Kulturliebhaber das Haus. So muss es auch um 1600 gewesen sein, als ein Familienmitglied der Fugger hier Musiker und Künstler hierher einlud. Aber den Anfang nahm das Schlösschen mit einer anderen berühmten Augsburger Familie: den Welsern.

Ein historischer Ort in Bobingen

Das große und prächtige Augsburg verzeichnete im 16. Jahrhundert eine wahre Blüte. Die Wirtschaft florierte, das imposante Rathaus, der Perlachturm und die Prachtbrunnen wurden gebaut. Bobingen war damals bäuerlich geprägt. Doch entstanden auch schlossartige Landsitze für so manche reiche Kaufleute und Adelige, die südlich von Augsburg ein Domizil auf Zeit errichteten. So auch der Kaufmann Anton Welser, der das Untere Schlösschen 1544 erbauen ließ. Nur knapp fünfzig Jahre später verknüpfte sich auch die Geschichte einer weiteren berühmten Augsburger Familie mit dem Haus: Octavian Secundus Fugger, als kunstsinniger Mann bekannt, kaufte das Haus samt der dazugehörigen Parkanlage und baute es zu einem prächtigen Landsitz aus. Nach seinem Tod im Jahr 1608 folgten viele Besitzerwechsel und die Wirren des Dreißigjährigen Krieges.

Die barocke Zeit

Für das heutige Aussehen des Schlösschens ist Baron von Zech eine zentrale Gestalt. Denn nachdem er das Gebäude 1762 gekauft hatte, ließ er es im damals so beliebten Rokokostil umgestalten. Das augenfälligste Zeugnis aus dieser Zeit ist das Deckenfresko im barocken Rundsaal des Schlösschen. Aber auch die alten Fußböden und einige Türen künden noch vom Glanz barocker Zeiten. Im 19. Jahrhundert war von der alten Pracht nicht mehr viel übrig. Vielmehr war es einfach ein schlichter Wohn- und Verwaltungsbau, nach 1938 auch ein Kinder- und Mütterheim, nach 1945 Unterbringung für Flüchtlinge. Seit 1938 ist das Schlösschen im Besitz der Stadt Bobingen, die das Gebäude in den 1970er Jahren aufwändig renovieren ließ.

Das Deckengemälde

Das Deckengemälde „Göttermahl“ stammt vom Maler Christian Ehrhardt (1730 bis 1805). Es zeigt ein antikes Göttermahl, an dem einige berühmte Persönlichkeiten teilnehmen: Der Meeresgott Poseidon ist an seinem Dreizack zu erkennen und der Götterbote Hermes am geflügelten Helm. Bogen und Köcher lassen Artemis erkennen, die Göttin der Jagd. Aphrodite, die Göttin der Liebe und der Schönheit,  zeigt ihre entblößte Brust. Helm und Lanze trägt Ares, der Gott des Krieges. Das Fresko wurde übermalt und erst im 20. Jahrhundert wieder freigelegt.

Woher stammt der Name „Unteres Schlösschen“?

Im 16  und 17. Jahrhundert gab es einige Landsitze in Bobingen. Das Mittlere Schlösschen etwa wurde 1630 ebenfalls an der Römerstraße als Sommerresidenz der Augsburger Fürstbischöfe erbaut, das Cosimosinische Schlösschen geht sogar auf das Baujahr 1540 und den florentinischen Junker Cosimo Sini zurück (Lindauer Straße), und auch das Obere Schlösschen in der heutigen Poststraße ist in Bobingen bekannt. Früher gab es über zehn solcher Schlösschen in Bobingen, heute sind noch vier verblieben.

Kulturelle Aktivitäten im Unteren Schlösschen Bobingen

Auch die „Mitbewohner“ von Piano & Voice hier im Schlösschen haben sich im engeren und weiteren Sinne der Kultur verschrieben. Unsere Nachbarn sind:

Musikunterricht im barocken Rundsaal

Bei Piano & Voice finden unter anderem der Klavierunterricht und der Gesangsunterricht im barocken Rundsaal statt. Alle Schülerinnen und Schüler spielen auf dem weißen Flügel, der unter dem Deckenfresko steht. Außerdem proben hier:

 

 

 

Quellen:

Liste der Baudenkmäler in Bobingen

Beitrag über das Schlösschen auf der Website der Stadt Bobingen

Prof. Dr. Hans Frei und Fritz Stettmayer: Schwaben in Bayern. Historisch-geografphische Landeskunde eines Regierungsbezirks. Lindenberg im Allgäu, 2016.

Fotos und Text: Petra Harenbrock

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